Linda von Keyserlingk-Rehbein erhielt den mit 5.000 Euro dotierten Dorothee-Fliess-Preis für Widerstandsforschung 2021 für ihre Arbeit über das Netzwerk des 20. Juli 1944. Die Preisverleihung erfolgte bedingt durch die Corona-Pandemie erst im Rahmen der XXXIV. Königswinterer Tagung in Bonn am 27. August 2022.
Ein Höhepunkt der diesjährigen Königswinterer Tagung in Bonn war die Prämierung der bemerkenswerten Arbeit „Nur eine ‘ganz kleine Clique‘? Die NS-Ermittlungen über das Netzwerk vom 20. Juli 1944“ von Dr. Linda von Keyserlingk-Rehbein. Im Laufe der Tagung stellte Keyserlingk-Rehbein ihre Forschung vor.
Netzwerke zu bilden ist heute in Zeiten von Computern und Handys ein vertrauter Begriff. Wie schwierig der Aufbau eines konspirativen Netzwerks mit den damaligen Kommunikationsmitteln und unter den erschwerten Bedingungen der NS-Diktatur und des Krieges war, verdeutlichte Keyserlingk-Rehbein in ihrem Vortrag. So zerrte beispielsweise jede der in Kriegszeiten besonders häufigen Versetzungen am mühsam geknüpften Netz und brachte die Notwendigkeit mit sich, erneut unauffällig neue Verbündete in nützlichen Positionen zu installieren.
Mit den Methoden der Historischen Netzwerkanalyse zeigte Keyserlingk-Rehbein das umfangreiche Netzwerk vom 20. Juli 1944 aus Sicht der NS-Verfolger. Die eindrucksvollen Netzwerkgrafiken sowie deren behutsame Interpretation und Kommentierung in Keyserlingk-Rehbeins Arbeit verdeutlichen nicht nur, was die NS-Verfolger über das komplexe zivil-militärische Beziehungsgeflecht herausfinden konnten. Sie geben
auch Aufschluss darüber, wie geschickt die Beteiligten in ihrer konspirativen Arbeit waren und wie viel die NS-Verfolger übersehen haben (Einen Einblick in Keyserlingk-Rehbeins Forschung gibt folgender Artikel von ihr: https://www.stiftung-20-juli-1944.de/widerstand/das-netzwerk).
Dr. Christoph Studt betonte in seiner Laudatio, dass Keyserlingk-Rehbeins Arbeit zukünftig eine unverzichtbare Lektüre für jeden sein werde, der sich mit dem Phänomen des 20. Juli 1944, ja mit den Bedingungen des Widerstandes im ‚Dritten Reich‘ überhaupt, auseinandersetzen wolle. Ihr Buch habe einen aufschließenden Charakter, betonte er, der es neben Peter Hoffmanns klassische Studie „Widerstand, Staatsstreich, Attentat“ stelle.
Mit bisher insgesamt rund 150.000 Euro für Widerstandsforschung unterstützte die Treuhandstiftung des Dorothee-Fliess-Fonds seit 2008 Historikerinnen und Historiker mit finanzieller Hilfe bei Promotionen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Hans-Manfred Rahtgens, Vorsitzender des Stiftungsrates des Dorothee-Fliess-Fonds, war deshalb stolz, dieses Jahr einer jungen zielstrebigen Historikerin den Preis überreichen zu dürfen.
Dr. Linda von Keyserlingk-Rehbein bedankte sich sehr für die Würdigung ihres Buches und brachte zum Ausdruck, wie sehr sie sich darüber freue, dass ihre Arbeit auf so großes Interesse stoße und bereits weitere Forschungsprojekte angeregt habe. Sie dankte in ihrer Rede ihren Betreuern, Mentoren und Wegbegleitern, den Angehörigen der Widerstandskämpfer, der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und ihrer eigenen Familie für die langjährige Unterstützung während der intensiven Forschungszeit.
Das Buch von Dr. Linda von Keyserlingk-Rehbein ist 2018 im Lukas Verlag unter dem Titel „Nur eine ‚ganz kleine Clique‘? Die NS-Ermittlungen über das Netzwerk vom 20. Juli 1944“ in der Schriftenreihe der Gedenkstätte Deutscher Widerstand erschienen. Bereits 2019 erschien die zweite Auflage.